"Solange Menschen denken, dass Pferde nicht fühlen, müssen Pferde fühlen, dass Menschen nicht denken."

Verantwortung gegenüber seinem Tier
Grundwissen: Pferd

Um die Bedürfnisse von Pferden besser verstehen zu können, müssen wir einen Schritt zurück gehen in die Ethologie - wo kommt die Spezies Pferd ursprünglich her, wohin hat sie sich evolutionsbedingt entwickelt. Viele dieser Informationen sind auch heute noch aktuell und sollten in der Pferdehaltung berücksichtigt werden. Allein ein fehlender Baustein kann das "Konstrukt Pferd" zum Einsturz bringen; gesundheitliche Probleme, Verhaltensauffälligkeiten und Missverständnisse zwischen Mensch und Tier sind die Folgen. Lernt mehr über die Geschichte des Pferdes und wie man unter Berücksichtigung dieser Aspekte, einer artnahen Pferdehaltung in Menschenhand gerecht werden kann.

Ethologie des Pferdes

Allgemein beschäftigt sich die Ethologie mit der Verhaltensforschung von Lebewesen, um ein besseres Verständnis für Bedürfnisse und Handlungen zu erhalten. Welches Verhalten ist angeboren, welches erlernt, wie wird miteinander kommuniziert, woher kommen bestimmte Verhaltensweisen - mit all diesen Fragen wird man in der Ethologie konfrontiert. Sehen wir uns doch zusammen die Ethologie des Pferdes einmal näher an.
Woher kommt das Pferd?

Das ursprüngliche Pferd (Morgenrötepferdchen, lat. Eohippus) lebte im Wald und war nicht größer als ein Fuchs. Es ernährte sich von Blättern, Rinde und Kräutern, die auf dem Waldboden wuchsen. Schon damals war es ein Fluchttier, das sich hervorragend im Unterholz verstecken konnte, wenn Gefahr lauerte. Die wandelnden Klimabedingungen und Vegetationsverhältnisse
der Umwelt hatten das Pferd dazu veranlasst, sich einen neuen Lebensraum zu suchen - die Steppe. Das Pferd schaffte es über Millionen von Jahren letztendlich, sich zu dem stattlichen Lauftier zu entwickeln, das wir heute kennen.
 
Folgende Punkte sind wesentlicher Bestandteil der Evolution:
  • Aus dem kleinen Unterholztier wurde ein großer Läufer für verbesserte Fluchtbedingungen auf weiten Flächen:
    Großer Körper mit langen Beinen, großem Brustkorb und seitlich gelegenen Augen für verbesserte Schnelligkeit und Sicht, die das Überleben sichern. (Wandel der Natur von Laubwaldgebieten hin zu weitläufigen Graslandschaften und Steppen – keine Deckung mehr für das Beutetier Pferd)

  • Vom Mehrhufer zum Einhufer:
    höhere Standfestigkeit, höhere Belastbarkeit zugunsten der neuen Geländebeschaffenheit

  • Vom Laubfresser zum Grasfresser:
    Umstellung des Verdauungsapparats auf energiearme Nahrung - aus kargen Steppengräsern kann der Pferdedarm die größtmögliche Energie herausziehen. Der Magen selbst ist jedoch ziemlich klein, da es sich mit vollem Magen nicht schnell flüchten lässt. Daraus resultiert die lange, über den Tag verteilte Fressdauer bis zu 18 Stunden täglich.
Anhand der o.g. Punkte kann man sehr gut erkennen, wohin sich moderne Pferdehaltung und -fütterung eigentlich entwickeln sollte und warum heutzutage viele Pferde mit gesundheitlichen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten kämpfen.

Natürliche Bedürfnisse eines Pferdes

Die Gesundheit eines Pferdes stützt sich auf drei Säulen: Haltung, Fütterung, Training. Diese drei Stellschrauben haben die natürlichen Bedürfnisse der Pferde als Grundlage, auf die wir nachfolgend gerne einmal eingehen.
  • Herdentier

    Pferde sind Herdentiere mit natürlicher Rangordnung. In freier Wildbahn wandern sie in kleinen, beständigen (nicht oft wechselnden), differenziert zusammengestellten Gruppen umher. Sie pflegen Sozialkontakte, spielen miteinander, betreiben gegenseitige Fellpflege und passen aufeinander auf. Nur so bleibt das Pferd geistig und seelisch stabil. In Ställen mit Herdenhaltung ist es daher wichtig, auf genügend Auslauf- und Ausweichfläche und eine homogene, harmonische Herdenzusammensetzung zu achten.

  • Wächter

    Pferde sind Fluchttiere. Ihre natürlichen Instinkte dienen ihrer eigenen Sicherheit – so auch ihre Funktion als Wächter. Pferde kommen mit sehr kurzen Ruhe- und Tiefschlafphasen aus. Meist dösen sie im Stehen. Um den Artgenossen während ihrer Schlafpausen Sicherheit zu geben, wird ein Pferd zum Wächter auserkoren, der in dieser Zeit die Umgebung vor „Feinden“ sichert und im Notfall alle alarmiert.

  • Lauftier

    Als Flucht- und Herdentiere haben Pferde ein besonders hohes Lauf- und Bewegungsbedürfnis. In freier Wildbahn legen sie täglich bis zu 30 km im ruhigen Schritt zurück.


    In den gängigen Haltungssystemen legen die Pferde nach einer Untersuchung von Dr. Margit Zeitler-Feicht (Universität Weihenstephan) zum Vergleich folgende Wegstrecken zurück:


    Naturnahe Haltung: 6-17 Kilometer

    24 Stunden Weidegang: 8,4 Kilometer

    Offenstall mit Funktionsbereichen: 4,8 Kilometer

    Tagesweide (12 Stunden): 3,5 Kilometer

    Offenstall ohne Funktionsbereiche: 1,8 Kilometer

    Einzelbox ohne Weidegang: 0,17 Kilometer


    Vergleicht man dies wird einem schnell bewusst, dass Pferde in herkömmlichen Boxenställen ihrem Bedürfnis nicht nachkommen können. Auffällig oft sind eben solche Pferde spannig, unausgeglichen, schreckhaft oder gar apathisch im Umgang und beim Reiten.

  • Dauerfresser

    Aufgrund der o.g. körperlichen Beschaffenheit (Kleiner Magen, großer Darm für karge Grundnahrung) sollte ein Pferd zwischen 16 und 18 Stunden am Tag fressen. Sie sind von Natur aus eher auf kleine, karge Mahlzeiten ausgelegt, die sie über den Tag verteilt zu sich nehmen. Das Sättigungsgefühl des Pferdes hängt mit den Kauschlägen zusammen – sprich: Umso mehr ein Pferd kaut, umso eher tritt ein natürliches Sättigungsgefühl ein. Zudem ist eine weitere Besonderheit des Verdauungsapparats, dass der kleine Pferdemagen immer Magensäure produziert – egal, ob Nahrung kommt oder nicht. Hat ein Pferd zu lange Fresspausen (regelmäßig über 5h), können sich Magenprobleme bis hin zu Magengeschwüren entwickeln. Beim Kauen produziert das Pferd Speichel, der als Gegenspieler zur Magensäure fungiert und die Säure abmildert. Heißt also: Kontinuierliche, angepasste Nahrungsaufnahme fördert die Speichelproduktion und mindert das Risiko von fütterungsbedingten Magenproblemen. Nahrungsaufnahme kann in diesem Fall auch das Knabbern an Totholzhecken oder Stroh sein – wichtig sind die Kauschläge.

     

    Desweiteren kann man hier auch herauslesen, dass das Pferd evolutionsbedingt eher karge Gräser aufnehmen sollte, da deren Verdauung darauf ausgelegt ist, aus allem das Beste herauszuholen. Unsere Wiesen in Deutschland sind heutzutage allerdings für die landwirtschaftliche Gewinnerbringung ausgelegt. Das heißt, dass Wiesen für die Tierzucht der Fleischproduktion, die Milcherzeugung oder auch für Biogas-Anlagen angelegt werden. Der Energieanteil dieser Wiesen muss sehr hoch sein, damit Zuchttiere wachsen, Milchkühe Milch produzieren und Biogas-Anlagen gewinnbringend eingesetzt werden können. Diese Gräser sind nicht für die dauerhafte Nahrungsaufnahme unserer Pferde ausgelegt, da der Zucker- und Eiweißgehalt viel zu hoch ist. Das Resultat einer nicht angepassten Fütterung ist klar: Pferde verfetten und bekommen „Wohlstandskrankheiten“ wie Hufrehe.

  • Frischluftler

    Das Atemorgan ist bei Pferden aufgrund ihrer Gattung als Fluchttier besonders im Fokus. Es ist unheimlich wichtig für die Pferdegesundheit, dass Pferde saubere Luft atmen können. Bakterienbelastete, staubige oder zu feuchte Luftverhältnisse schädigen die Lunge dauerhaft. Zudem sind Pferde „lichtsüchtig“ – der Stoffwechsel, das Immunsystem und auch der Hormonhaushalt der Pferde hängen hiermit zusammen. Bestes Beispiel: Der Fellwechsel wird mit den länger- bzw. kürzer werdenden Tagen eingeläutet.

  • Klimawiderständler

    Pferde sind, was das Wetter angeht, sehr anpassungsfähig. Egal, ob zu kalt oder zu warm - sie kommen aus einem Lebensraum, der nicht viel Schutz vor extremen Klimaveränderungen oder Temperaturschwankungen bietet. Daher kann sich der Organismus Pferd, anders als der Mensch, auf diese Wechsel sehr gut einstellen. Sonnenlicht sorgt bei Pferden für einen gesunden Biorythmus und regt den Stoffwechsel an. Gesunde Pferde benötigen im Winter keine Decken. Ihr dichtes Fell schützt sie vor Kälte und Feuchtigkeit. Im Sommer haben Pferde als eines der wenigen Säugetiere die Möglichkeit, Ihren Körper durch Schwitzen herunterzukühlen. Dies ist allerdings auch ein Anpassungsprozess - steht ein Pferd ausschließlich in einem geschützten Stall mit immer annähernd gleichen Temperaturen, stellt sich der Stoffwechsel auf eben diese Situation ein. Die Folge kann z.B. Frieren auf der Koppel bei Regen sein.

Pferdehaltung neu gedacht

Unter Berücksichtigung der o.g. Punkte lässt sich somit folgendes für die Umsetzung einer artnahen Pferdehaltung festhalten:
  • großzügiges Offenstall-Konzept mit weiten Laufwegen und getrennten Funktionsbereichen (Liege-, Fress-, Bewegungs- und Wellnessbereiche sowie Weide)
  • an die Herde angepasste Fütterung, bestenfalls 24/7 Möglichkeit zur Raufutteraufnahme (Heu, Stroh, Knabberäste,...)
  • homogene Herdenzusammenstellung in kleinen, beständigen Gruppen von max. 12 Pferden
8:00 - 9:00
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11:00-12:00
12:00 - 13:00
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15:00 - 16:00
16:00 - 17:00
17:00 - 18:00

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